Mittwoch, 25. Februar 2009

20090225-1502 Putzwasser

Ich habe gerade eine warme Dusch an meinem Schreibtisch in meinem Zimmer in unserem Haus erhalten. Meine Frau hat heute ihren Putztag. Ich habe frei. So habe ich heute Vormittag mitgeholfen das Haus für ihre Putzaktion vorzubereiten: Ich habe die ganzen Kleinsachen in den Zimmern hochgestellt und gestaubsaugt. Im Anschluss daran haben wir erst noch am Rechner gesessen und dann hat meine Frau angefangen zu putzen. Dabei fiel ihr jedoch auf, dass sie gar keine sauberen Putztücher im Haus hat. Unser Wäschetrockner ist derzeit ausgefallen und so kommt sie im Moment nicht mit der Wäsche hinterher. Also waren auch die vorhandenen Putzlappen nicht sauber. Sie bat mich darum, dass ich kurz in den Supermarkt fahre und vier Putztücher hole. Also habe ich mir meine aktuelle "Straßenkleidung" angezogen und bin los. Nach der Rückkehr habe ich mir - wie von meiner Frau "vorgeschrieben" - meine Hände im Gäste-WC (das liegt direkt im Eingangsbereich unseres Hauses) gewaschen und habe meine Schuhe im Vorraum ausgezogen. Dann bin ich mit Post und Putzlappen hoch in den 1. Stock. Hier war meine Frau gerade damit beschäftigt, unser Bad zu putzen. Ich sollte die Putzlappen einfach im Flur hinlegen. Dann bin ich in mein Zimmer im Dachgeschoss und habe mich an meinen Rechner gesetzt. Irgendwann fing sie dann mit dem Bodenputzen an und bat mich, meine Sachen doch auszuziehen, mir die Hände zu waschen und dann meine "Kuschelkleidung" wieder anzuziehen. Kuschelkleidung ist das Synonym für die Hauskleidung, die nicht mit dem "Dreck von Draußen" in Berührung kommt. Ich hatte nun aber meine Straßenkleidung an - und zwar inklusive dem Pullover, den ich am Samstag beim Kindergeburtstag unseres nun 4 Jahre alten Sohnes angezogen hatte. Und das war ihr Problem: Während des Ausflugs hatte ein Mädchen aus der Gruppe eine recht große Vogelfeder gefunden und herumgetragen. Die Vogelfeder ist das "zu Fleisch" gewordene Sinnbild der Gefahr für meine Frau, denn über Federn und Kot könnte die Vogelgrippe aus ihrer Sicht übertragen werden. Außerdem hatte ein Kind beim Anziehen in unserem Vorraum seine Matschhose an den Papiermülleimer im Vorraum kommen lassen. Und diese Matschose, hatte ich ihm später auch noch angezogen. Der Mülleimer im Vorraum wird von meiner Frau mit "dreckigen" Händen angefasst, wenn sie den Papiermüll leert und dabei die Mülltonnen anfasst, die vor nun bald 1 1/2 Jahren die vorletzte Ruhestätte eines bei uns abgestürzten Vogels gewesen sind. Dreckig sind also die Hände deshalb, weil sie die Mülltonnen berührt haben. Dreckig ist so auch die Matschhose gewesen. Und dreckig war dann auch ich mit meinem Pullover, denn ich habe diese Matschhose dem Jungen mit angezogen und zudem habe ich später auch dem Mädchen mit der Feder die Jacke ausgezogen, als wir in einem Restaurant zum Essen mit den Kindern eingekehrt waren. Nun hatte ich also diesen "dreckigen" Pullover an. Ich hatte aber schon nicht mehr daran gedacht. Es ist jedoch ein bequemer Pullover und so wollte ich ihn nun auch im Haus anbehalten. Damit ging ein sicherlich halbstündiger Disput los. Ich sollte meiner Frau diesen Wunsch erfüllen. Sie sagte, dass auch ihre Therapeutin immer sagt, dass sie selbst aussuchen soll, wann und mit was sie ihre Übungen machen möchte. Ich sollte jetzt nicht stur einfach lostherapieren. Ich würde ja gar nicht verstehen, wie schlimm das jetzt für sie wäre, sie müsste doch los, hat schon Zeitdruck und dann komme ich. Wenn ich wollte, dann könnte ich ja den Pullover irgendwo aufhängen und dann könnten wir gemeinsam überlegen, wann wir diese Übung machen. Nein, sie könnte es jetzt nicht einfach gut sein lassen. Sie kann schon gar nicht aus dem Haus raus, wenn sie weiß, dass ich diesen dreckigen Pullover jetzt anhätte und mich überall im Haus damit hinsetzen würde. Jetzt sollte ich ihr doch einmal den Gefallen tun. Ihr zuliebe. Und sie weinte. Sie schrie mich an. Es wäre gemein. Nie hätte sie Zeit. Und ich sollte doch jetzt einfach los und die Kinder holen, dann könnte sie hier in ruhe Putzen. Unsere Kinder sind heute bei meinen Schwiegereltern. Und sie hätte auch in den letzten Wochen nie die Zeit gehabt, ihre Übungen einfach mal zu machen. Dann stand sie irgendwann auf, fing an in ihrem Zimmer - Nachbarzimmer von meinem "Büro" - zu putzen, und kam plötzlich auch in mein Zimmer. Dann wrang sie ihren Putzlappen über meinem Kopf aus, so dass ich, mein Pullover und ein wenig der Laptop naß wurden. Das Wasser war Putzwasser. Hölle, ich wusste gar nicht, dass Putzwasser in den Augen brennt... Na, da muss ich mich wohl heute doch noch umziehen meinte ich. Sie war wieder in ihrem Zimmer. Ich machte an meinem Rechner weiter. Da kam sie wieder, diesmal mit noch mehr Wasser. Zum Glück stand der Rechner nicht zu nah am Schreibtischrand, denn dieser war jetzt klatschnass. Ich bin "dalai lama-mäßig" ruhig geblieben, brauste nicht auf, sondern habe mich dann ausgezogen und bin in die Dusche. Meine Frau stand wirklich unter Zeitdruck. Ich glaube, um 15 Uhr hätte ihre Elternbeiratssitzung angefangen. Ach ja, und sie meinte noch, dass ich ja auch den Pullover so anfassen würde und dann auch alle anderen Sachen damit anfasse - so wie das Telefon, dass mitten in der Dikussion klingelte und eine Schwester meine Frau wollte sie wegen einem Medikamt sprechen für ihren Sohn. Meine Frau wollte sie nun nicht sprechen, also musste ich "dolmetschen". Naja. Die Elternbeiratssitzung hat meine Frau nun (wegen mir, wird es später heißen) verpasst. Dies war der erste Eintrag in meinem neuen Blog. Ss soll ein öffentlicher Blog sein, aber aus unterschiedlichen Gründen ein anonymer Blog. Meine Therapeutin weiß darüber Bescheid, dass ich nicht mehr jeden Zwangswunsch meiner Frau mitmachen werde. Vor allen Dingen habe ich dabei unsere Kinder [EDIT: und mich natürlich!] im Blick. Unsere Kinder sind es, die die Eigenheiten meiner Frau natürlich ständig mitbekommen und da will ich in Zukunft der Gegenpol sein. Gleichzeitig wird es meiner Frau auf die eine oder andere Art und Weise zeigen, wie weit vom Normalen sie sich bereits entfernt hat. Aussicht auf 100%ige Heilung gibt es nicht wirklich. Aber die Aussicht auf ein normaleres Leben. Bis dahin - und das kann Jahre dauern - wird mein Leben auf diese Weise sicherlich sehr, sehr anstrengend, vielleicht mindestens so anstrengend, wie das meiner Frau. Aber es ist ein wenig so wie in "When a man loves a woman". Meg Ryan fand dort auch nur deshalb Hilfe, weil es ihr so unglaublich dreckig an einem Punkt in ihrem Leben ging - an dem ihr Mann nicht nachgab. Das wird das Schwierigste: Nicht nachzugeben. Und wenn meine Frau Auswege wie heute mit dem Putzwasser findet, dann ist das vielleicht nicht schlecht. Es zeigt den Wahnsinn in dieser Krankheit.

1 Kommentar:

  1. Ich finde gut, dass du einen öffentlichen (und trotzdem anonymen und somit auch "offenen") Blog betreibst und andere an eurem Leben teilhaben lässt. Danke! Ich werde mich jetzt daran machen all die Beiträge nachzulesen.

    Mein Freund hat ebenfalls eine Zwangsstörung...

    Und gute Einstellung den "Gegenpol" einnehmen zu wollen, ich hoffe du schaffst das.

    Grüße
    P.

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