Samstag, 13. März 2010

Vom einen Käfig in den nächsten - aber diesmal stecke ich nicht im Käfig drin. Nicht heute. Nicht morgen.

Rückblickend war meine Frau in den letzten Jahren in einem Käfig der Angst gefangen. Ein Käfig, der ihr zwar keine Flucht erlaubte, der aber so gebaut war, dass sie ihre Kinder und bis zu einem bestimmten Grade auch mich mit einsperren konnte.

Nun hat sich die Situation gewandelt. Der Käfig, in dem meine Frau jetzt steckt, ist ein Käfig des Nicht-Könnens für sie. In die Freiheit entlassen sind unsere Kinder und ich. Wir müssen nicht mehr die strengen Rituale befolgen oder müssen uns nicht damit auseinandersetzen, was passiert, wenn wir die Rituale nicht befolgen (es war ein seltsamer Moment gestern, als ich nach dem Einkauf irgendwann einmal dachte "oh gott, ich habe ja noch die Schuhe an" und schon längst mit den Schuhen durch das ganze haus gelaufen war. Aber: Die Schuhe waren trocken und sauber und so war es bequem gewesen direkt aus der Garage ins Haus die Einkäufe zu tragen).

Meine Frau ist als behindert - schwer behindert - vom behandelden Arzt nun eingestuft worden. Die akute Erkrankung des Gehirns ist soweit zurückgedrängt, doch hat sie einen nicht geringen Teil des Gehirns beschädigt. Jene Bereiche, die bei meiner Frau unter anderem auszeichnend für ihren Charakter verantwortlich waren, scheinen schwerwiegend zerstört worden zu sein. Sie wird in Zukunft verstehen können was passiert. Sie wird jedoch nicht mehr selbständig handeln können, planen können. Mit aller Voraussicht. Und so schließt sich der Kreis: Sie konnte mit der Zwangserkrankung so viele Dinge nicht planen, da sie von vorneherein in der Planung eingeschränkt war. Nun kann sie nicht mehr planen, da ihr Gehirn dies nicht mehr vorsieht. 

Die Geschichte raus aus der Zwangserkrankung ist damit für mich geschrieben. Ich bin nicht mehr Betroffen. Kann wieder selbst entscheiden. Doch leider in einer ganz anderen Art und Weise, wie ich es mir ausgemalt habe. Jahrelang habe ich mit der Hoffnung gelegt, dass eines Tages wieder ein harmonisches, glückliches und wirklich partnerschaftliches Leben möglich sein wird. Habe mir ausgemalt, wie schön es sein würde, wenn ich die Frau, die ich liebte und heiratete, einmal in einer Zeit nach der Auswirkung der schweren Zwangserkrankung, erleben kann. Wie wir zusammen leben. Und nun ist das alles zerstört. Es wird kein normales Leben geben. Meine Frau wird in einem Maße behindert bleiben, der wieder in einem Maße einschränkt, dass ich davon zumindest heute noch nicht fröhlich träumen kann. Meine Frau hat die schwere Krankheit überlebt. Aber sie bleibt in einem Käfig. Und ich muss schauen, dass der Käfig sich nicht wieder über mich und um unsere Kinder legt.

Wenn Zwänge das Leben einengen, das Leben bestimmen und die Liebe auf die Probe stellt, so bleibt für mich jedoch die Lehre zu ziehen: Kämpfen lohnt sich. Es hätte schließlich auch anders und ohne diese massive Hirnerkrankung ausgehen können.  
DerPartner

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